Neubau Wachstums- und Festigungszentrum „Alter Schlachthof“

  • Realisierungswettbewerb 2015
  • Bauherr: Karlsruher Fächer GmbH & Co. Stadtentwicklungs-KG
  • Grundkonzept

    Statt einem konventionellen Zweibund wird hier eine kompakte und flexible Kernzone, in der sich Jungunternehmen flexibel in alle Richtungen ausdehnen und vernetzen können, zusammen mit einem äußeren Erschließungsring angeboten. Dadurch wird die Erschließung Teil des städtischen Raums, lädt zum Flanieren und Verweilen ein und bietet den Unternehmen in besonderer Weise die Möglichkeit, sich nach außen darzustellen. Auf diese Weise entsteht im Zusammenspiel mit weiteren architektonischen Elementen ein prägnanter, sich ständig verändernder Stadtbaustein mit hohem Identifikationspotential.

Verfasser: Thomas Glodde, Andreas Meissner
Mitarbeiter: Uwe T. Seiler, Jonas Müller

Gebäudestruktur

Im Zentrum sind in einer offenen Struktur die Arbeitsbereiche der Unternehmen angeordnet. Durch den Verzicht auf einen Mittelflur besteht die Möglichkeit, Raumeinheiten nicht nur in Nordsüdrichtung miteinander zu verbinden, sondern auch von Ost nach West durchbindende Einheiten zu schaffen.

Auf Ost- und Westseite sind Galerien zur Erschließung angeordnet. Diese überschreiten in sanften Schwüngen die Baugrenze im Sinne eines untergeordneten Bauteils. Dadurch entsteht eine räumliche Dynamik und die Verkehrsflächen erhalten Aufenthaltsqualität. Über die Galerien werden auch Nebenräume wie WCs erreicht, die jeweils an den Giebelseiten angeordnet sind.

 

Erschließung

Die Erschließung erfolgt über das Treppenhaus von Westen zentral in der Achse der Straße vor dem Tollhaus. Das optimal belichtete Treppenhaus bietet durch Ausblicke auf Stadt und Umland sehr gute Orientierung und ist so angeordnet, dass die maximal zulässigen Fluchtweglängen eingehalten sind. Durch die halboffenen Galerien und die ringförmige Erschließung ergeben sich auch vielfältige Vorteile in Bezug auf notwendige Flucht- und Rettungswege.

 

Zonierung

Im EG sind auf der Westseite neben der Lobby die Läden angeordnet. Durch die auskragenden Galerien in den Obergeschossen entsteht eine durchgehende Vordachzone Die erforderlichen Serviceflächen befinden sich versteckt auf der Ostseite hinter der Graffitiwand.

Im 1. – 3. OG liegen sehr komprimiert und flexibel die Bürobereiche. Im Bereich der größten Auskragung zum Messplatz sind geschossweise Kommunikationsflächen mit schönem Blick auf Turmberg und Schwarzwald sowie Co-Workingzonen angeordnet. Damit sind unmittelbare Verknüpfungen und gute Kommunikationsmöglichkeiten gewährleistet.

Im 5. OG bilden die Cafeteria mit vorgelagerter Dachterrasse sowie der zentrale Besprechungsraum eine weitere zentrale Kommunikationszone mit gutem Rundumblick und hoher Aufenthaltsqualität. Diese bildet den Auftakt zum multifunktional nutzbaren Seminarbereich im 6. OG, der durch seine Lage neben gutem Überblick die nötige Ruhe bietet.

 
Tragwerk

Das Tragwerk aus Stahlbeton ist durch wirtschaftliche Spannweiten gekennzeichnet. So ergeben sich schlanke Tragelemente mit geringem Stahlverbrauch. Durch die beiden Kerne an den Giebelseiten ist das Gebäude optimal ausgesteift. Auf Grund der sehr klaren Struktur bietet sich die Verwendung von Fertigteilen an.

 

Material- und Farbkonzept

Alle Komponenten des Gebäudes stehen unmittelbar für sich selbst: Zunächst wird das Ambiente von natürlichen Materialien wie vom durchgefärbten, angesäuerten Sichtbeton des weitgehend unverkleideten Tragwerks und von lasierten Holzelementen der inneren Fassaden geprägt. In der Kernzone bilden weiße Gipskartonwände den neutralen Hintergrund für individuelles Design.

Besondere Elemente in den öffentlichen Zonen werden mit kräftigen Farben oder ausgewählten Materialien akzentuiert und bilden einen spannungsvollen Kontrast zur ansonsten zurückhaltenden Farbgebung.

 

Fassade

Die äußeren Fassaden auf der West- und Ostseite bilden eine flexible, leichte und weitgehend frei bespielbare Haut aus hellen, transparenten und transluzenten Membranen oder Geweben, die von den Nutzern innerhalb eines übergeordneten Regelwerks frei bedruckt werden können. Damit können sich die Unternehmen nach außen präsentieren. Die Bespannungen sind auf beweglichen Stahlrahmen montiert und können jederzeit problemlos ausgewechselt werden.

Die Elemente lassen sich witterungsabhängig mehr oder wenig öffnen. Auf diese Weise entsteht ein einzigartiges, sich im Laufe der Tages- und der Jahreszeit ständig veränderndes Erscheinungsbild mit unmittelbarem Bezug zu den jeweiligen Nutzungen.

Die geschwungene Grundform der Fassaden verleiht dem Gebäude zusätzliche Leichtigkeit und ein Vibrieren im Streiflicht, das mit dem kreativen Innenleben sehr gut korrespondiert.

An den beiden Giebelseiten sind geschossübergreifend begrünte Fassaden geplant.

 

Energie + Haustechnik

Das zu beheizende Volumen des Gebäudes ist auf das absolute Minimum reduziert. In weiten Teilen ist es umgeben von einer auch als Filterschicht dienenden Erschließungszone. Durch die auskragenden Galerien und die verschiebbaren, bespannten Rahmen wird sowohl der sommerliche Wärmeschutz als auch ein erster Schutz gegen Schlagregen, Schnee und übergroßen Winddruck realisiert.

Die Grundbeheizung und optional auch eine Kühlung der Nutzflächen erfolgt über Bauteilaktivierung. Die Belüftung der Büros erfolgt über die inneren Fassaden mittels dezentral angeordneten Lüftungselementen. Diese sind mit zusätzlichen Heizregistern zur individuellen Temperierung und Akustikelementen gegen Lärm vom Messplatz ausgestattet.

Die Medien werden im Wesentlichen offen von den beiden Schächten an den Giebelseiten zu den Entnahmestellen geführt.

 

Wirtschaftlichkeit

Ein sehr einfaches statisches System, ein minimiertes beheizbares Gebäudevolumen, eine reduzierte Erschließung mit nur einem Treppenhaus, der Verzicht auf innere Fassaden zu einem Mittelflur sowie das Zusammenwirken von Witterungsschutz und Fassadengestaltung, gute Wartungs- und Reinigungsmöglichkeiten sowie ein hohes Maß an standardisierten, vorgefertigten Bauteilen stellen zusammen mit einer reduzierten Haustechnik trotz des hohen Gestaltungsanspruchs Wirtschaftlichkeit in der Erstellung wie im Unterhalt sicher.